KONFIRMANDEN-TAUFGOTTESDIENST Wenschtkirche, Sonntag, 26.05.2019

(Rogate)

Thema: „Lebendige Steine“ (1. Petr 2,4-5a.6-9)

Liebe Konfis, liebe Gemeinde!

Wenn wir Wörter wie „Stein“ auf Menschen anwenden, dann verteilen wir in der Regel keine Komplimente. „Die hat ein Herz aus Stein“, sagen wir dann. Oder: „Bei dem beißt man auf Granit“. Oder: „Das sind alles Betonköpfe“. Stur, unnachgiebig, gefühllos – das sind die Eigenschaften, die wir damit ausdrücken wollen. Denn Steine sind für uns eben erst einmal hart, kalt – und tot.

In der Geschichte eben war das anders. Da konnten die Steine denken, reden und fühlen – wenn auch sehr langsam und bedächtig. Steine wie du und ich sozusagen. Lebendige Steine.

Mein alter Schulkamerad Peter Böhlemann, von dem diese Geschichte stammt, wäre wohl nicht darauf gekommen, von lebendigen Steinen zu erzählen, wenn ihm dabei nicht ein bestimmter Bibeltext vorgeschwebt hätte. Er steht im ersten Petrusbrief und beruht seinerseits auf Stellen aus dem Alten Testament an. Ich lese ihn mal vor:

Kommt her zum Herrn Jesus Christus! Er ist der lebendige Stein, der von den Menschen für unbrauchbar erklärt wurde. Aber bei Gott ist er auserwählt und kostbar.Lasst euch auch selbst als lebendige Steine zur Gemeinde aufbauen. Sie ist das Haus, in dem Gottes Geistgegenwärtig ist. Deshalb heißt es in der Heiligen Schrift: „Seht doch, ich lege auf dem Zioneinen ausgewählten, kostbaren Grundstein. Wer an ihn glaubt, wird nicht zugrunde gehen.“ Für euch ist er kostbar, weil ihr an ihn glaubt. Aber für diejenigen, die nicht an ihn glauben, gilt: „Der Stein, den die Bauleute für unbrauchbar erklärt haben, ist zum Grundstein geworden.“Er ist „ein Stein, an dem man sich anstößt, und ein Fels, über den man zu Fall kommt.“ Sie stoßen sich an ihm, weil sie dem Wort nicht gehorchen. Und eben dazu sind sie auch bestimmt. Aber ihr seid auserwählt: Eine königliche Priesterschaft, ein heiligerStamm, ein Volk, das in besonderer Weise Gott gehört. Denn ihr sollt seine großen Taten verkünden. Es sind die Taten dessen, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat.

Ein Tempel, eine Wohnung für Gott, darum geht es also. Auf dem Zionshügel in Jerusalem hatte König Salomo so ein Gotteshaus bauen lassen – aus haltbarem Stein und edlem Holz, gediegen ausgestattet. Gott hatte versprochen, dort zu wohnen, mitten unter seinem Volk, damit sie ihm dort begegnen konnten: ihm Opfer bringen, zu ihm beten, seine Nähe spüren. Aber diesen Tempel hatten die Babylonier zerstört. Später hatte man ihn wieder aufgebaut, und König Herodes hatte ihn erneut mit Prunk und Pracht versehen. Aber kaum war er fertig, hatten ihn die Römer schon wieder platt gemacht, diesmal endgültig. Und Gott? Hatte der jetzt keine Wohnung mehr bei den Menschen? Gab es keinen Ort mehr, wo man ihm begegnen konnte?

Doch, sagt der erste Petrusbrief. Denn schon als der alte Tempel noch stand, hat Gott sich ein neues Haus gebaut – diesmal nicht aus Holz und Stein, sondern aus Menschen: ein lebendiges Haus, eine Gemeinschaft, in deren Mitte Gott gegenwärtig ist.

Der Grundstein dieses Hauses, ist Jesus Christus. In ihm wurde Gott selber Mensch und lebte mitten unter seinem Volk. Aber seine eigenen Leute erkannten ihn nicht als das, was er ist. Sie ließen den Grundstein links liegen. Sie nahmen es hin oder fanden es sogar gut, dass die Römer Jesus ans Kreuz schlugen. Doch sie alle konnten Gottes Bauplan nicht durchkreuzen. Er erweckte Jesus von den Toten und gab ihm so den Platz, der ihm zusteht. Er machte ihn zum Fundament des neuen lebendigen Hauses Gottes. Und seitdem wächst dieses Haus – mit jedem neuen lebendigen Stein, mit jedem Menschen, der zur Gemeinschaft der Christen dazustößt. Sie alle finden ihren Platz in diesem Bau, und nicht einer von ihnen darf fehlen, damit der Tempel fertig wird.

Und damit bin ich bei euch Konfirmandinnen und Konfirmanden – besonders bei Kerem, Luis, Lew und Maurice, die heute getauft werden. Nein, keine Sorge: die Taufe wird euch nicht in Stein verwandeln. Im Gegenteil: sie macht euch lebendig. Jetzt fragt ihr euch vielleicht: „Was soll das? Ich bin doch schon lebendig!“ Das stimmt natürlich: Ihr lebt jetzt schon seit circa dreizehn Jahren auf dieser Erde, und auch dieses Leben habt ihr letztlich von Gott. Aber die Taufe fügt eurem Leben noch mal eine neue Dimension hinzu, erweitert es sozusagen von 3D auf 4D. Es wird nun ein Leben mit Gott. Und Und wenn ihr mit Gott lebt, könnt ihr die Grenzen überwinden, die unserem Leben sonst auferlegt sind. Ihr könnt mit Gott in Kontakt treten – immer und überall mit ihm reden und auf ihn hören. Und ihr müsst dem Tod nicht mehr das letzte Wort überlassen, sondern ihr dürft hoffen, dass der ewige Gott euch auch ewiges Leben schenkt – Leben, das den Tod überwindet.

Das gilt, jedem und jeder von euch persönlich. Und die Taufe spricht es euch zu, ein- für allemal. Aber ihr bleibt damit nicht allein. Ihr gehört zu einer Gemeinschaft. Sie wird erbaut auf dem Grund, den Jesus gelegt hat. Sie wächst immer weiter. Und sie bildet ein Haus, in dem Gott wohnt. Kein Erdbeben und kein Feuer kann dieses Haus zerstören. Auch keine Abrissbirne und kein feindlicher Eroberer. In diesem Haus habt ihr alle euren Platz – so wie die Karton-Steine, auf denen euer Name steht. Ihr seid zwar nicht das Fundament, und ohne euch bricht auch nicht gleich alles zusammen. Aber ein Teil vielleicht schon. Und auf jeden Fall würde ohne euch etwas fehlen. Eine Mauer hält am besten, wenn alle Steine fest zusammengefügt sind, wenn sie sich gegenseitig Halt und Stütze geben und keine Lücken bleiben. So ist es auch im Haus Gottes, in der Gemeinschaft der Glaubenden: alle werden gebraucht, alle haben ihren Platz.

Was genau euer Platz ist, das müsst ihr allerdings selber herausfinden. Schon beim normalen Hausbau werden unter-schiedliche Steine für unterschiedliche Funktionen gebraucht. Und beim lebendigen Haus der Gemeinde ist die Vielfalt noch viel größer – so groß wie die Vielfalt der Begabungen, die Gott euch mitgegeben hat. Da gibt es die Handwerker, die Bastler, die Technik-Freaks und die Computer-Experten. Die Sportler, die Kreativen, die Musikalischen und die Künstler-Typen. Die Mitfühlenden und die Hilfsbereiten, die Redegewandten und die Mitdenkenden, die Ideengeber und die Organisations-Talente. Die Leute mit dem großen Überblick und die Leute mit dem Blick fürs Detail. Die, die es lieben, im Mittelpunkt zu stehen, und die, die lieber im Verborgenen wirken. Und so weiter und so fort. Sie alle werden gebraucht. Für alle gibt es eine Aufgabe auf der Baustelle des Hauses Gottes. Auch für jeden von euch. Vielleicht braucht ihr noch ein bisschen, bis ihr euren Platz entdeckt. Man muss ja auch erst mal herauskriegen, wer man ist und was man kann. Und wo wir können, wollen wir, die schon etwas länger eingebauten Steine, euch gern dabei helfen. 

Nur eins wünschen wir uns für euch alle: Dass ihr entdeckt, wie toll es ist, zu dieser großen Gemeinschaft zu gehören. Sie mit voranzubringen und dabei ihre Kraft im Rücken zu spüren. Und zu merken: Wir können etwas schaffen, weil wir ein festes Fundament haben: unseren gemeinsamen Glauben an Jesus Christus. Und wir können unser Ziel erreichen, weil wir uns nicht allein abrackern müssen, sondern weil letztlich Gott es ist, der sein Haus baut – mit uns als lebendigen Steinen. Amen.

Ihr Pastor Martin Klein