GOTTESDIENST MIT FEIERABENDMAHL ZUM GRÜNDONNERSTAG

Wenschtkirche, 18.4. 2019

Text: 1.Kor 11,17-30.33.34a

Aber da ist noch eine Sache, zu der ich euch Anweisungen geben muss. Und in dieser Hinsicht kann ich euch nicht loben: Ihr kommt nämlich nicht zu eurem Wohl zusammen, sondern zu eurem Schaden! Vor allem geht es um Folgendes: Wie ich höre, gibt es verschiedene Lager, wenn ihr in der Gemeinde zusammenkommt. Zum Teil glaube ich das auch. Es kann ja gar nicht anders sein, als dass es verschiedene Parteien bei euch gibt. Nur so zeigt sich, wer von euch sich bewährt. Wenn ihr zusammenkommt, hat das nichts mit dem vom Herrn eingesetzen Mahl zu tun. Denn wenn es ans Essen geht, hält jeder sein eigenes Mahl, und der eine ist hungrig, der andere betrunken. Habt ihr denn keine Häuser, wo ihr essen und trinken könnt? Oder missachtet ihr die Gemeinde Gottes und wollt die herabsetzen, die nichts haben? Was soll ich zu euch sagen? Soll ich euch etwa loben? Nein, dafür lobe ich euch nicht!

Denn ich habe selbst vom Herrn eine Überlieferung empfangen. Und die habe ich euch weitergegeben: In der Nacht, in der er dahingegeben wurde, nahm der Herr Jesus das Brot. Er sprach das Dankgebet, brach das Brot in Stücke und sagte: „Das ist mein Leib für euch. Tut das immer wieder zur Erinnerung an mich!“ Genauso nahm Jesus nach dem Essen den Kelch und sagte: „Dieser Kelch ist der neuen Bund, den Gott mit den Menschen schließt. Er wird besiegelt durch mein Blut. Tut das immer wieder, sooft ihr aus dem Kelch trinkt, zur Erinnerung an mich!“ Denn sooft ihr dieses Brot esst und aus diesem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn – so lange, bis er wiederkommt!

Deshalb gilt: Wer auf unwürdige Weise das Brot isst oder aus dem Kelch des Herrn trinkt, der macht sich schuldig – und zwar am Leib und am Blut des Herrn. Jeder Mensch soll sich also selbst prüfen. Und so soll er vom Brot essen und aus dem Kelch trinken. Denn wer isst und trinkt, ohne zu beachten, dass es sich um den Leib des Herrn handelt, für den gilt: Mit diesem Essen und Trinken spricht er sich selbst das Urteil. Deshalb, liebe Geschwister, gebe ich euch die Anweisung: Teilt miteinander, wenn ihr zum Essen zusammenkommt! Wer Hunger hat, soll zu Hause essen, damit eure Zusam-menkunft nicht zu eurer Verurteilung führt.

Nein, so wie in Korinth damals und so, wie es hier zuerst aussah, kann man nicht Abendmahl feiern. Dass die einen fressen und saufen, während die anderen hungrig bleiben, das geht gar nicht. Da sind wir uns wohl alle einig.

Schon damals hat die junge Christenheit sich die Mahnungen des Paulus sehr zu Herzen genommen. Damit es zu solchen Zuständen in Korinth erst gar nicht mehr kommen konnte, hat man hat die Feier des Abendmahls und das gemeinsame Essen strikt voneinander getrennt. Das eine geschah im Gottesdienst, das andere, nun „Agape“ / Liebesmahl genannt, machte man im Anschluss oder auch als eigene Veranstaltung. Der Erfolg war, dass das mit den Agapemählern bald ganz aufhörte. Und beim Abendmahl bekommen seitdem zwar alle das Gleiche, aber es ist nur noch ein symbolisches Häppchen und – wenn man nicht katholisch ist – ein winziger Schluck Wein. Erst in neuerer Zeit gewinnt die Erkenntnis Raum, dass man dabei vielleicht doch das Kind mit dem Bade ausgeschüttet hat. Und so gibt es inzwischen wieder Feierabendmähler wie unser heutiges – zumindest gelegentlich.

Allerdings: Wenn wir nur fragen, wieviel oder wie wenig es beim Abendmahl zu Essen gibt, bewegen wir uns noch sehr an der Oberfläche. Schon in Korinth lagen die Probleme ja tiefer. Da gab es nicht nur eine Spaltung zwischen Arm und Reich, die dann innerhalb der Gemeinde ihre Fortsetzung fand. Das wäre schon schlimm genug gewesen. Aber vor allem Wohlhabende und Gebildete hielten sich auch glaubensmäßig für was Besseres. Auch vom heiligen Geist meinten sie eine deutlich größere Portion abbekommen zu haben als andere. In ihren Augen waren sie schon tief in die Geheimnisse Gottes eingedrungen, hatten jetzt schon Anteil an der ewigen Herrlichkeit Gottes und waren damit erhaben über die banalen Dinge des Erdenlebens. Mit Essen und Trinken, mit gerechter Verteilung von Gütern, mit gelebter Gemeinschaft glaubten sie sich nicht mehr beschäftigen zu müssen – so wie es typisch ist für Menschen, die alles haben und deshalb meinen, dass sie auf andere nicht angewiesen sind.

Diesen Leuten hält Paulus ein deutliches Warnsignal vor die Nase. Ihr seid keine besseren Christen als alle anderen, sagt er ihnen. Ihr seid wie alle angewiesen auf das, was Jesus Christus für euch getan hat. Und deshalb seid ihr auch gebunden an das, was er euch durch meine Vermittlung aufgetragen hat. „Mein Leib für euch“, „der neue Bund in meinem Blut“ – das gilt für euch wie für alle Christen. In Brot und Wein ist Christus unter euch gegenwärtig mit seiner Liebe und Vergebung. Und ihr habt das genauso nötig wie die Armen und die schlichten Gemüter, über die ihr euch erhaben dünkt. Wenn ihr das nicht wahrhaben wollt, wenn ihr so Abendmahl feiert, als wenn ihr unter euch wärt, ohne Rücksicht auf den Rest der Gemeinde, dann feiert ihr nicht nur ohne sie, sondern auch ohne Jesus Christus. Dann vergeht ihr euch an seinem Leib – sowohl in Gestalt von Brot und Wein, als auch in Gestalt der Gemeinde, die ja der Leib Christi ist.

Das hat es also mit dem berühmten Stichwort „unwürdig“ auf sich, das so vielen Christen beim Abendmahl immer wieder Skrupel bereitet hat. Es geht nicht darum, dass irgendjemand als Person „unwürdig“ wäre, am Abendmahl teilzunehmen. Sondern es geht darum, dass wir das Abendmahl nicht „in unwürdiger Weise“ feiern. Und das geschieht dann, wenn wir uns nicht so verhalten, wie es der Bedeutung des Abendmahls entspricht.

„Dann ist ja gut“, könnten wir jetzt sagen, „denn wir haben ja aus den Fehlern der Korinther gelernt. Bei uns darf jeder zum Abendmahl kommen und alle kriegen das Gleiche, die Reichen und die Armen sowieso, aber auch die Kinder, auch die Christen anderer Konfessionen, und selbst einen Nichtchristen würden wir wohl nicht wegschicken.“

So weit, so gut. Aber entspricht die Weise, wie wir Abendmahl feiern, auch unserer sonstigen Lebensweise? Am Tisch des Herrn machen wir keinen Unterschied zwischen Arm und Reich. Aber sind wir auch sonst bereit, das was wir haben, mit den Armen zu teilen? Beim Abendmahl reichen wir uns alle die Hände als Zeichen der Verbundenheit. Aber mancher, der da sonntags neben uns steht, hätte vielleicht auch im Alltag eine hilfreiche Hand nötig – für was auch immer. Bekommt er sie von uns? Beim Abendmahl fragen wir nicht danach, ob jemand denn auch wirklich gläubig ist und sich zur Gemeinde hält. Aber schaffen wir es auch sonst, die Menschen nicht danach zu sortieren, ob sie glaubensmäßig mit uns auf einer Wellenlinie liegen? „Ein jeder prüfe sich selbst“, sagt Paulus, und ich schließe mich ihm an, auch was mich persönlich angeht.

Damit will ich nicht gesagt haben, dass nur der zum Abendmahl darf, der es perfekt hinbekommt, der nie Unterschiede macht, immer nur Gutes tut und alles mit anderen teilt. Erstens hinge es dann ja doch wieder daran, dass ich mich als würdig erweise, am Mahl des Herrn teilzunehmen. Und zweitens würden dann keine Abendmahlsfeiern mehr stattfinden. Aber ich sollte mir bewusst sein, welche Lebensweise der Gemeinschaft mit Jesus Christus entspricht. Gerade dann kann mich die Gemeinschaft beim Abendmahl dafür stärken. Und ich kann dabei Vergebung empfangen für das, was ich gegenüber meinen Mitmenschen und Mitchristen falsch gemacht und versäumt habe.

Also, liebe Geschwister, macht reichlich Gebrauch von der Gemeinschaft am Tisch des Herrn. Schmeckt und seht immer wieder, wie freundlich der Herr ist. Erlebt die Gemeinschaft mit Jesus Christus und untereinander. Und tragt diese Gemeinschaft dann hin zu den Menschen, die sie nötig haben. Denn dann tut ihr es wirklich zu Christi Gedächtnis und folgt seinem Vorbild. Amen.

Ihr Pastor Martin Klein